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Im Juni 2008 erstmals Dampf unterm Kessel

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So soll es aussehen, das Heizkraftwerk nahe Conti. Die Simulation zeigt links das Gebäude für den Müllbrennstoff, daneben das rund 37 Meter hohe Kesselhaus.

Der Hauptschornstein wird 63 Meter hoch, der kleinere Schlot von 42 Metern ist vorgesehen, wenn das Kraftwerk mit Gas oder Öl alternativ betrieben werden muss – etwa bei Wartung. Laut Aktionsbündnis sind jedoch zwei der kleineren Schornsteine vorgesehen.(Bild: MVV Energie)

 

 

 

Heizkraftwerk – Enttäuschung beim Aktionsbündnis – Weg frei für Betreiber MVV und Conti

KORBACH (tk/jk). Das Regierungspräsidium überreichte gestern in Kassel die Genehmigung für das Heizkraftwerk. Betreiber MVV Energie (Mannheim) will im Juni 2008 bereits den Kessel anfahren. Die Bürgerinitiative warnt indes weiter vor Gefahren.

„Ich kann verstehen, dass die Erwartungen und Hoffnungen, die an diesen Abend geknüpft wurden, nicht erfüllt werden konnten“, so kommentiert Bürgermeister Klaus Friedrich den Infor-mationsabend des Regierungspräsidiums. Dass die Genehmigung unter der Auflage erteilt wurde, den Brennstoffbunker doppelwandig zu bauen, sei „eine deutliche Nachbesserung“. Dieser verbesserte Trinkwasserschutz gehe in erster Linie auf die Bemühungen der Bürgerinitiative „für ein lebenswertes Korbach“ zurück.

Von MVV Energie erwartet Friedrich, dass Bürger und Behörden „mit großer Transparenz“ über den Betrieb der Anlage, in dem vorbehandelter Abfall verbrannt wird, informiert werden. Überdies müsse sich MVV auch der Aufgabe stellen, „durch Aufklärung Ängste in der Bevölkerung zu vermeiden“.

Stadt: „Nicht leicht gemacht“

Eine direkte Bürgerbeteiligung, wie sie 2005 verschiedentlich gefordert wurde, halte er grundsätzlich für „den optimalen Weg“. In diesem Verfahren sei die Kommune allerdings „schlicht-weg nicht beteiligt“ gewesen: „Wir konnten gar nicht ,Nein‘ sagen“, verweist der Bürgermeister auf die Rechtslage. Das Stadtparlament habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht und intensiv diskutiert.

Leichter wurde es für Stadt und Parlament indes allein durch die Lage des Grundstücks. Seit 2001 gab es Pläne für ein Heizkraftwerk in Korbach, das ursprünglich auf einem Gelände nahe Mauser gebaut werden sollte. Dieses Areal gehörte allerdings der Stadt – und es gab dort kein Baurecht für ein Heizkraftwerk. Wäre es bei diesem Grundstück geblieben, hätten die Stadtväter eindeutig Farbe bekennen müssen: für oder gegen die Kraftwerkspläne.Das aktuelle Grundstück ist hingegen Industriegelände im Besitz von Conti. So taten sich baurechtliche Hürden für Stadt und Parlament gar nicht erst auf: Allein das Regierungspräsidium (RP) wurde Herr des Verfahrens.

Die Entscheidung des RP ist aus Sicht der Bürgerinitiative enttäuschend. Sie hatte sich zumindest mehr Auflagen für Betreiber MVV erhofft. „Wesentliche Daten und Fakten sind unberücksichtigt geblieben, Anträge wurden nicht bearbeitet. Unser Vertrauen hat der Regierungspräsident mit dieser Veranstaltung nicht zurückgewinnen können“, resümiert Dr. Julia Günther-Pusch den Informationsabend. Als Ärztin sei sie erschrocken über das Ausmaß der Schadstoff-Vorbelastung, das nach Recherchen der Bürgerinitiative „besorgniserregend“ sei (wir berichteten). Die Sprecherin des Aktionsbündnisses, zu dem auch die Ortsverbände des Bundes Umwelt- und Naturschutz (BUND) und des Naturschutzbundes (NABU), das Waldecker Ärztenetz sowie die Grünen gehören, bekräftigte die Forderung nach einer genauen und nach wissenschaftlichen Maßstäben fundierten Untersuchung dieser Vorbelastung.

Aktionsbündnis: „fehlerhaft“

Die von Professor Heinz-Erich Wichmann (München) im Genehmigungsverfahren ermittelten Ergebnisse entsprächen diesen Maßstäben nicht. Bei einer Verfahrensklage, die das Aktionsbündnis einreichen werde, müssten die Verwaltungsrichter auch dieses fehlerhafte Vorgehen beurteilen. Sobald der Wortlaut der Genehmigung dem Aktionsbündnis zugegangen sei, erhalte der Berliner Rechtsanwalt Philipp Heinz den Auftrag, eine Klageschrift aufzusetzen.Betreiber MVV blickt derweil optimistisch auf den weiteren Baufortschritt. Nach zwei Anträgen auf vorzeitigen Baubeginn in Mai und Juni hat der Mannheimer Energieversorger mit Erdarbeiten und Stahlbeton längst losgelegt. Allerdings zunächst noch auf eigenes Risiko. Mit dem formalen Genehmigungsbescheid ist das baurechtliche Korsett geschnürt, das Heizkraftwerk kann hochgezogen werden, um künftig Dampf für Conti zu liefern.

MVV: Nach Recht und Gesetz

„Wir haben die Genehmigung erwartet“, erklärte gestern MVV-Sprecher Dirk Pohlmann. Sonst hätte das Unternehmen auch nicht den Antrag auf vorzeitigen Baubeginn gestellt. „Wir sind im Zeitplan und guten Mutes, ihn auch bis zum Ende einhalten zu können.“

Maßstab für die Genehmigungsbehörde könnten nur geltendes Recht und gültige Grenzwerte sein. Genau das erwarte im Übrigen jeder einzelne Bürger bei privaten Vorhaben auch.

Nach Angaben von MVV unterschreite das Heizkraftwerk im laufenden Betrieb die Grenzwerte zudem um ein Vielfaches, unterstreicht Pohlmann. Außerdem würden die Schadstoffwerte kontinuierlich gemessen und in regelmäßigen Abständen an das Regierungspräsidium weitergeleitet.

Im Gegensatz zu Heizkraftwerken in Nordrhein-Westfalen oder Thüringen gibt es in Hessen eine Vorschrift offensichtlich aber nicht: Die Messdaten werden nicht permanent online an die Kontrollbehörde übermittelt.

Läuft der Bau des Müllheizkraftwerks wie geplant, spielt das Wetter entsprechend mit, dann wird der Normalbetrieb im September 2008 beginnen. Schon im Juni 2008 soll die erste praktische „Belastungsprobe“ für den Kraftwerksofen erfolgen.


HINTERGRUND

Heizkraftwerk

(jk). Das Heizkraftwerk verfeuert vorbehandelten Abfall. Der besteht aus Haus- und Gewerbemüll, der vorher aufbereitet wurde und damit einen für die Anlage ausreichenden Heizwert erhält.

  • Maximal 75500 Tonnen Abfall pro Jahr will Betreiber MVV Energie (Mannheim) in Korbach verfeuern.
  • Der Müll kommt nicht aus Waldeck-Frankenberg. Erste Pläne scheiterten, die jährlich rund 25000Tonnen Restmüll aus dem Landkreis im Heizkraftwerk zu verbrennen. Der von der Firma Stratmann in Flechtdorf aufbereitete Abfall entspricht offenbar nicht der Zusammensetzung, wie sie der von MVV gebaute Anlagentyp erfordert. Stratmann und MVV konnten sich Ende 2005 in ihren Verhandlungen nicht einigen.
  • Stattdessen wird der komplette Müllbrennstoff von außerhalb durch die Firmen Tönsmeier (Porta Westfalica) und Sulo (Herford) geliefert.
  • Bislang erzeugt Conti seinen Dampf aus Erdgas. 75 Prozent dieser benötigten Energie soll künftig das Kraftwerk liefern.


 


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Quelle: WLZ vom 13. Juli 2007

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