BI lebenswertes Korbach

Lobbyisten haben wieder einmal gute Arbeit geleistet

Presse 2009 >>

Kreistag Waldeck-Frankenberg verzichtet auf Untersuchung der Umweltbelastung in Korbach

Mit den Stimmen von CDU, FDP und FWG hat der Kreistag Waldeck-Frankenberg am Montagabend einen Antrag der Grünen abgelehnt: In dem Antrag machten die GRÜNEN das Thema Müllverbrennungsanlage Korbach zum Gegenstand der Beratungen im Kreistag. „Wir wollen, dass sich der Kreistag für deutlich höhere Sicherheitsbestimmungen für die Müllverbrennung in Korbach ausspricht", sagte Jens Deutschendorf (Berndorf), umweltpolitischer Sprecher der GRÜNEN. Vor allem sollte der Einbau einer weiteren Filterstufe vorgeschrieben werden. Abgelehnt wurde auch ein Antrag der Grünen, demzufolge der Kreisausschuss unverzüglich zwei Gutachter beauftragen sollte, die die Ursachen für eine höhere Rate von Atemwegserkrankungen bei Kindern untersuchen sollen.

Hintergrund ist ein Störfall in dem Kraftwerk Ende August, bei dem deutlich überhöhte Quecksilbermengen im Abgas der Anlage auftraten. Bei diesem wurde nach Informationen des Betreibers über einen Tag lang durchschnittlich 490μg Quecksilber pro Kubikmeter Abgas ausgestoßen. Es dürften aber höchstens 30μg pro Kubikmeter Abgas im Tagesmittelwert sein, berichten die GRÜNEN. „Das Regierungspräsidium darf die Müllverbrennungsanlage nur unter höheren Auflagen wieder anfahren lassen", sagt Jens Deutschendorf. Ursache waren nach Unternehmensangaben verunreinigter Müll, der in dem Kraftwerk verbrannt wurde, und Fehlverhalten der Bedienungsmannschaft. Diese hatte die über den Grenzwerten liegenden Messwerte als Fehler der Messsonde interpretiert.

Die bisher von MVV angekündigten Maßnahmen seien nicht ausreichend. Die GRÜNEN verlangen eine bessere Kontrolle des angelieferten Mülls und eine bessere Filtertechnik, zum Beispiel durch den Einsatz eines Nasswäschers. „Die Emissionen der Müllverbrennungsanlage machen vor Gemeindegrenzen nicht halt. Daher muss der Kreistag über das Thema beraten", betonen May und Deutschendorf abschließend

CDU, FDP und FWG lehnten den Antrag der Grünen ab, da das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde mit dem Betreiber bereits weitere Maßnahmen abgestimmt habe, damit solche Fehler nicht wieder vorkommen. Die Anlage an sich arbeite ja fehlerfrei, hieß es.

Ursachen für eine höhere Rate von Atemwegserkrankungen bei Kindern untersuchen

Abgelehnt wurde auch ein Antrag der Grünen, demzufolge der Kreisausschuss unverzüglich zwei Gutachter bgeauftragen sollte, die die Ursachen für eine höhere Rate von Atemwegserkrankungen bei Kindern untersuchen sollen.

Die Kreistagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen hatte einen Antrag zum Thema Umweltbelastung in Korbach im Kreistag eingebracht. „Mit diesem Antrag wollen wir den Kreisausschuss dazu bringen, die vom runden Tisch gewünschten Gutachter zu bestimmen", berichtet der Korbacher Grünen Abgeordnete Daniel May. Der Runde Tisch "Luftqualität" hat laut Pressemeldungen bereits vor längerer Zeit die Gutachter Dr. Kruse (Kiel) sowie Prof. Dr. Wichmann (München) vorgeschlagen. Bis heute seien sie jedoch nicht vom Kreisausschuss bestellt worden. Der runde Tisch wurde nach mehreren Studien zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Korbach eingerichtet. Die Studien hatten ergeben, dass Kinder und Jugendlich in Korbach häufiger Atemwegserkrankungen erlitten als dies in anderen Regionen der Fall sei. „Wir erwarten von der Kreistagsdebatte auch Aufschluss darüber, wie der Kreisausschuss weiter mit dem Thema Gesundheitsbelastung in Korbach umgehen will", so Daniel May weiter.

Inzwischen, so betonten Gesundheitsdezernent Peter Niederstraßer (FWG), aber auch Sprecher von CDU, FWG und FDP gebe es weitere Stellunganhmen von anderen Experten, die die Datengrundlage dieses Gutachtens kritisieren. Deshalb wollen die drei Parteien durch Lungenfunktionstests bei den Schuleingangsuntersuchungen erst weitere Daten erheben und sehen, ob sich die Vermutung einer erhöhten Erkrankungsrate bei Kindern tatsächlich belegen lässt. SPD und Grüne kritisierten dies als Zeitschinderei mit der Absicht, eine weitere Ursachenforschung verhindern zu wollen.

BI: Lobbyisten der Industrie haben wieder einmal ganze Arbeit geleistet

Die BI für ein lebenswertes Korbach begrüßt es sehr, dass Bündnis 90 / Die Grünen die Forderung nach Bestellung eines Toxikologen auf die Tagesordnung der Kreistagssitzung gebracht haben. Wenn man die Ereignisse der letzten Monate verfolgt hat, muss man zu dem Schluss kommen, dass die Lobbyisten der Industrie wieder einmal ganze Arbeit geleistet haben. Anders ist es nicht zu begreifen, dass immer noch kein Toxikologe bestellt wurde.

Seit 1998 wurde bei Schuleingangsuntersuchungen bereits eine kontinuierliche Zunahme von Atemwegserkrankungen festgestellt. Bereits damals hätte der Kreis als Gesundheitsaufsicht reagieren und dieser Problematik nachgehen müssen. Das Thema wurde dann im Erörterungstermin zur Genehmigung der MVA diskutiert. Prof. Dr. med. Henseling (Toxikologe im Hessischen Sozialministerium) wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass es sich hier um einen Anfangsverdacht handelt, dem man aus medizinisch-toxikologischer Sicht nachgehen müsse. Dankenswerterweise wurden dann vom Kreis finanzielle Mittel bereitgestellt und Prof. Ranft beauftragt, die Bronchitisstudie durchzuführen, welche dann diesen Anfangsverdacht bestätigte. Schon bei der öffentlichen Vorstellung der Studie wurde deutlich, dass gewisse Lobbyisten versuchten, die Qualität der Studie massiv in Frage zu stellen. Inzwischen war sogar zu erfahren, dass von dieser Seite ein Gegengutachten beauftragt wurde, welches belegen soll, dass die Aussagen der Ranft-Studie falsch seien. Aus unserer Sicht sind das verzweifelte Bemühungen, um jeden Preis zu verhindern, dass die wahren Fakten, nämlich der Nachweis einer hohen Luftbelastung in Korbach, durch konkrete Messungen nachgewiesen werden.

Eindeutige Hinweise auf eine Luftbelastung in Korbach hat auch die Flechtenuntersuchung ergeben. Ebenso sprechen die Ergebnisse des Wettergutachtens dafür, dass es in Korbach, bedingt durch austauscharme Wetterlagen, zur Anreicherung von Schadstoffen kommt. Auch die Ergebnisse von Umweltmessungen der Bürgerinitiative belegen eindeutig, dass der Luftpfad in Korbach mit hochgradig toxischen, allergieauslösenden, hormonell wirksamen und krebserregenden Substanzen belastet ist. In der Summe sind diese Indizien erdrückend und fordern eine konkrete Abklärung. Es hilft hier allerdings nicht weiter, die Schuleingangsuntersuchungen durch apparative Technik zu erweitern. Wenn es darum geht, eine Luftbelastung nachzuweisen, muss man die Luft untersuchen, anstatt auf Nebenschauplätze abzulenken. Wie genau dieses zu geschehen hat und welche Kosten entstehen, kann man konkret erfahren, wenn endlich ein erfahrener Toxikologe beauftragt wird, uns in dieser Fragestellung weiterzuhelfen. Alle anderen Diskussionen sind nicht zielführend bzw. dienen nur als Zeitverzögerung und Ablenkung von den Tatsachen.

Sämtliche dieser Auffälligkeiten bestanden bereits, bevor die Müllverbrennungsanlage in Betrieb gegangen ist. Dass die MVA eine erhebliche zusätzliche toxische Umweltbelastung verursacht, davon haben wir uns ja alle in den letzten Wochen und Monaten hinreichend überzeugen können. Es ist also damit zu rechnen, dass die Krankheitsfälle in Korbach, ausgelöst durch Umweltschadstoffe, in den nächsten Jahren zunehmen werden, und zwar nicht nur bei Schulkindern, sondern in allen Altersstufen.

Alle diese Daten und Fakten führen zwingend zu dem Schluss, fachkundige Beratung, Untersuchung und Bewertung der Situation in Korbach durch einen Humantoxikologen vornehmen zu lassen. Oder haben die Korbacher Bürger kein Anrecht auf frische, klare und gesunde Luft?

erschienen am: 2009-11-03 im europaticker

Zurück Drucken

© BI lebenswertes Korbach e.V.
powered by G. Wagner, Korbach

Konzeption und technische Realisierung: intwerb.de