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Prof. Ranft: KV-Daten ohne Aussagekraft

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„Daten für Diskussion wenig hilfreich“

Atemwegserkrankungen: Wissenschaftler kritisiert Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung


Als „wenig hilfreich“ bewertet der Düsseldorfer Epidemiologe-Professor Dr. Ulrich Ranft die Daten der Kassenärztlichen Vereinigung zu Atemwegserkrankungen in Waldeck-Frankenberg.

In der Diskussion über die Bedeutung potenzieller Emissionen aus dem Continental-Werk in Korbach für Atemwegserkrankungen bei Kindern könnten diese Zahlen überhaupt keine Aussage machen, sagte Ranft am Montag gegenüber der WLZ-FZ. Der Wissenschaftler selbst hatte vor zwei Jahren eine Erhebung zum Gesundheitszustand von Kindern, die im Jahr 2008 eingeschult wurden, durchgeführt.
Das Ergebnis: Die Häufigkeit der Atemwegserkrankungen oder entsprechender Symptome ist insgesamt im Landkreis und insbesondere in Korbach auffallend hoch. Ein ursächlicher Einfluss von gesundheitsschädlichen Emissionen sei möglich, aber keine alleinige Erklärung, folgerte Ranft in seiner Studie aus den Zahlen. Zu einer endgültigen Bewertung könnten nur Luftmessungen beitragen.
Ein ganz anderes Bild ergab eine Auswertung von Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die der Kreis im Februar vorstellte: Statt durch eine überdurchschnittlich hohe macht Korbach demnach durch eine vergleichsweise niedrige Zahl an Atemwegserkrankungen auf sich aufmerksam. Ein Vergleich dieser Daten mit seiner Studie sei sehr problematisch, führt Ranft nun ins Feld und listet mehrere Kritikpunkte auf:

  • Die KV-Angaben beziehen sich auf Abrechnungsdiagnosen, die überwiegend chronische Atemwegs- und Lungenkrankheiten betreffen. „Bei Kindern im Alter von sechs Jahren dürften chronische Bronchitis und chronische obstruktive Lungenkrankheit kaum von Bedeutung sein. Speziell akute Atemwegserkrankungen, die bei Kindern von Relevanz sind, wurden nicht einbezogen“, so der Epidemiologe.
  • Die Daten beziehen sich jeweils auf die gesamte Bevölkerung der jeweiligen Gemeinde und nicht auf eine Altersgruppe, wie sechsjährige Kinder. Ranft: „Beim Vergleich der Diagnosedaten wurden mögliche Unterschiede in der Altersstruktur der Gemeinden nicht berücksichtigt.“
  • Die KV-Diagnosezahlen beziehen sich nur auf ein (das zweite) Quartal des Jahres 2009. Die Eltern der Kinder der Studie wurden im Zeitraum April/Mai des Jahres 2008 befragt, wobei unter anderem Atemwegssymptomatiken der letzten zwölf Monate und Arztdiagnosen den gesamten Lebenszeitraum der Kinder betrafen. „Atemwegssymptomatiken, auf die bei der Befragung besonderer Wert gelegt wurde und die erheblich für das Wohlbefinden der Kinder von Bedeutung sind, werden durch die Abrechnungsdiagnosen überhaupt nicht erfasst“, so Ranft.
  • Ein Einfluss der räumlichen Nähe der Wohnlage zu dem potenziellen Emittenden in Korbach könne in den KV-Daten auf keinen Fall Berücksichtigung finden.
     

Nach Ansicht der Kreiskoalition aus CDU, FWG und FDP sind weitere Untersuchungen zur Gesundheitsbelastung von Kindern im Landkreis hingegen nicht mehr nötig. Deren Mitglieder stimmten bereits im Ausschuss für Gesundheit und Soziales für den entsprechenden Beschlussvorschlag des Kreisausschusses. Damit würde die Entscheidung des Kreistages vom Dezember 2009 aufgehoben, die Fachleute Professor Wichmann und Dr. Kruse mit einer weiteren Auswertung der vorliegenden Gesundheitsdaten zu beauftragen. Die Kosten dafür würden sich auf rund 24 000 Euro belaufen.
Die endgültige Entscheidung trifft der Kreistag in seiner Sitzung am kommenden Montag.

Quelle: WLZ vom 21.04.2010

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