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Video: Atomkraft ist kein Klimaretter

Plakat: Irrweg in der Klimakrise

BI lebenswertes Korbach warnt vor Verbrennung radioaktiven Materials04.08.2017

MVV Enamic Korbach wird wiederholt aufgefordert, eine Messeinrichtung für Radioaktivität nachzurüsten

Korbach. In Deutschland hat der große AKW-Abriss begonnen. Bereits 23 Atomkraftwerke (AKW) werden derzeit stillgelegt und sollen abgerissen werden. Acht weitere kommen noch hinzu. Zurück bleibt ein großer Müllberg.

Insgesamt fallen beim Abriss eines AKW rund 300.000 bis 500.000 Tonnen Material an: Beton, Metalle, Kunststoffe, Isoliermaterial, Elektro-Teile, Glas, Werkzeuge.

Ihre strahlende Hinterlassenschaft haben die Atomkonzerne bereits vorsortiert:

1 bis 3 %
Langfristige Lager für hochradioaktive Abfälle und für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, derzeit Zwischenlager. Geringer Anteil am Gesamtvolumen, sehr hoher Anteil am Radioaktivitätsinventar.

97 bis 99 %
Müllabfuhr (radioaktiv belastetes und unbelastetes Material). Deutsche Atomkraftwerke landen im Wertstoffkreislauf, in der Müllverbrennung und auf Bauschutt-Deponien im ganzen Land.

Eines der Konsens-Geschenke für die Atomkonzerne kam mit der Strahlenschutznovelle 2001: Die Einführung der Freigaberegelung (§29 StrlSchV):
Die Freigaberegelung schuf die Voraussetzung dafür, dass die Energiekonzerne ihre Atomkraftwerke nach Abriss zu circa 98 Prozent kostengünstig in die „Müllabfuhr“ geben dürfen.
Das wäre unproblematisch, wenn die Zielsetzung der Freigabe lauten würde, dass nur zweifelsfrei unbelastetes Material in den Abfallwirtschaftskreislauf gelangen darf. Dies ist jedoch nicht der Fall, freigegeben wird, was nicht „unzweifelhaft endgelagert“ werden muss.
Es darf durchaus radioaktiv belastet sein und das in beachtlichen Maßen und Mengen. Was in die Abfallwirtschaft gegeben wird, bestimmt der Gesetzgeber mit der Festlegung von Grenzwerten für radioaktive Stoffe.
Die Begründung für die Freigaberegelung ist nicht im medizinischen Bereich zu finden. Ein Schwellenwert, unterhalb dessen radioaktive Strahlung nicht schädlich wäre, existiert nicht. Die Freigaberegelung ist eher als Finanzierungskonzept zur Reduzierung der Atommüllkosten zu verstehen. Das Bundesumweltministerium formulierte das im Jahr 2001 so:
„In die Abwägung zur Festlegung entsprechender Vorsorgewerte fließen neben den in erster Linie zu berücksichtigenden Erkenntnissen der Risikobewertung zur Wirkung niedriger Strahlendosen auf Mensch und Umwelt auch Überlegungen der Risikoakzeptanz ein. Dabei müssen auch wirtschaftliche Erwägungen, z.B. die Kosten einer Endlagerentsorgung einbezogen werden.“

Freimessen und Freigabe

Seit der Änderung der Strahlenschutzverordnung in 2001 darf die vor Ort zuständige Behörde AKW-Abrissmaterial „freigeben“, wenn Messungen den Rückschluss erlauben, dass „für Einzelpersonen der Bevölkerung nur eine effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert (10 μSv) im Kalenderjahr auftreten kann.“ (§29, StrlSchV).
Der Grenzwert von 10 μSv basiert auf einem mit viel Fantasie entwickelten Rechenmodell. Das Gefährliche: Er suggeriert, dass es eine Dosisgrenze gibt, unterhalb der radioaktive Strahlung keine Schäden anrichten könnte.

Tatsächlich führt jede zusätzliche Strahlenbelastung zu einem Anstieg der Herz-, Kreislauf- und Krebserkrankungen. Nach Auswertungen der Daten von Hiroshima und Nagasaki bedeutet die Strahlenbelastung von 10 μSv, dass jedes Jahr zusätzlich 440 Menschen an Krebserkrankungen sterben werden. Jüngere Auswertungen kommen sogar auf 4.400 Krebstote jährlich (bezogen auf die Einwohnerzahl in Deutschland).

In der Verordnung über das Freimessen heißt es vage: „ im Bereich von...“. Es dürfen also durchaus auch 20 mSv oder mehr sein. Beim Messverfahren wird nur die Gammastrahlung ermittelt. Das bedeutet, dass 297 von 300 Radionukliden nicht gemessen, sondern geschätzt werden.
Es ist eine bekannte Tatsache, dass bei den Kontrollen immer wieder geschlampt wird. So hat etwa der TÜV-Süd, zuständig für Kontrollmessungen beim Rückbau des hessischen AKW Biblis, einfach Messungen des Betreibers übernommen, statt selbst zu messen .

Nur der geringste Teil der Abfälle wird als Atommüll behandelt und entsprechend gelagert. Ein Großteil jedoch wird zerkleinert, geschrubbt und bearbeitet, bis bei Stichproben Grenzwerte unterschritten werden.
Das auf diese Weise „freigemessene“, aber immer noch strahlende Material darf dann auf Bauschutt-Deponien gelagert, so wie Hausmüll verbrannt oder als Wertstoff recycelt werden.

Eine Verbrennungsanlage, wie die Müllverbrennung in Korbach, kann keinerlei Radioaktivität zurückhalten.
Alles gelangt trotz Filtern in die Umwelt.
Entsorgungsfachbetriebe, wie z.B. die Korbacher Fa. Gross, haben schon seit einigen Jahren eine Messeinrichtung zur Feststellung von Radioaktivität im angelieferten Abfall installiert.

„Es ist von dem Betreiber der Korbacher Müllverbrennungsanlage eine unverantwortliche Fahrlässigkeit den angelieferten Brennstoff nicht auf Radioaktivität zu untersuchen. Die MVV Müllverbrennungsanlage in Mannheim hat schon seit längerem eine Einrichtung zur Überprüfung des Mülls auf Radioaktivität. Hier in Korbach unterlässt man diese auf Grund der aktuellen Situation dringend gebotene Nachrüstung offenbar aus Profitgier, auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung
und zum Schaden der Umwelt“, sagt der Vorsitzende der BI, Harald Rücker.

Die zweite Vorsitzende, Dr. Julia Günther-Pusch ergänzt: „Wir haben in Korbach bereits eine sehr hohe Belastung durch die Industrie; die Feinstaubbelastung nimmt durch den gestiegenen Verkehr und die Neugründung von Logistikunternehmen ständig zu. Da muss unbedingt ausgeschlossen werden, dass die Bevölkerung und die Umwelt noch zusätzlich durch radioaktive Strahlung über die Müllverbrennungsanlage belastet werden. Daher fordern wir MVV Enamic Korbach auf, unverzüglich eine Messeinrichtung zur permanenten Feststellung von Radioaktivität im angelieferten Brennstoff nachzurüsten.“

siehe auch Artikel im Europaticker